Ein Artikel der Gartenlaube: illustrirtes Familienblatt (1877, Nr. 38)
Aus der Wandermappe der Gartenlaube.
Ein Spaziergang nach Mittenwald.
Beinahe zahllos sind die Wege, welche sich von München aus nach dem bairischen Hochlande verzweigen. In erſter Linie benützen die Touristen wohl, so weit es geht, die Eisenbahnen, die immer mehr in die Berge und Gebirgsthäler eindringen, und mancher hübsche Punkt kann ohne Beschwerde, aber auch ohne besonderen Reisegenuß erreicht werden. An die Eisenbahnen schließen sich sodann die Postwagen an, welche den erholungsbedürftigen Städter ſo ziemlich an alle jene Stationen befördern, die als Ausgangsorte zu Gebirgstouren benützt werden. Wer es jedoch vermeiden kann, hütet sich wohl, diesen höheren Torturengrad durchzumachen, denn wenn man annimmt, daß die Orte Ammergau, Partenkirchen, Garmisch, Mittenwald eine Art Paradies für den Naturfreund vorstellen, so darf man getroſt behaupten, daß eine Omnibusfahrt dahin mit dem Weg durch das Fegfeuer verglichen werden kann. Zwölf Stunden Arrest in dem gelben Kasten, an dem die praktischen Erfindungen der neueren Wagentechnik spurlos vorübergegangen sind, zuweilen in einer Reisegeſellſchaft, die entweder die Grenzen der Gemüthlichkeit nie zu berühren wagt oder weit überschreitet, das ist eine harte Prüfung für den profanen Fremdling, der in die Heiligthümer der Bergwelt eindringen will. Wer dieses Fahrzeug aus finanziellen Gründen vermeiden und Extraposten benützen kann, ist allerdings besser daran, wer aber die kleinen Beschwerden einer Fuß- wanderung nicht scheut, der hat sicher den besten Theil erwählt.
Es giebt keine schrecklichere Fahrt als die Postwagenfahrt von Weilheim über Murnau und Partenkirchen nach Mittenwald, während kaum ein anmuthigerer Weg gedacht werden kann, als derjenige, den der Fußwanderer bis Mittenwald zu benützen hat. Derselbe verläßt in Penzberg die Bahn und geht trotz Postwagen lustig fort nach Benedictbeuren und Kochel, in welch letzterem Orte man gute Unterkunft findet; es ist vor Allem das sogenannte Bad, welches, am See gelegen und mit allem wünschenswerthen Comfort ausgestattet, dem müden Wanderer eine willkommene Erholungsstätte bietet. Von hier aus zieht sich der Weg eine Zeit lang am Ufer des Kochelsees fort, und bevor man diesen verläßt, hat man nochmals Gelegenheit sich in einem einsamen Wirthshause, das sich übrigens an einem der schönſten Punkte des Sees befindet, zur bevorstehenden Bergwanderung zu stärken. Diese Herberge führt das Schild „zum grauen Bären“, eine Firmenwahl, die auf irgend einen amerikasatten Sohn der Gegend schließen läßt, der durch die absonderliche Benennung dem Wanderer zu imponiren glaubte. Statt des Grislybären hauſt aber dort ein hübsches junges Mädchen, das an alles Andere eher, als an den Schrecken der Urwälder erinnert. Nur schwer trennt man sich von dem netten Gärtchen am See, um dann der Fahrstraße folgend eine ziemlich anstrengende Bergwanderung zu beginnen; man hat hier nämlich den Kesselberg zu überschreiten.
Die guterhaltene breite Straße zieht sich steil bis zu einer respectabeln Höhe; schweißtriefend aufwärts arbeitend, beschäftigt man sich gewiß mit dem Gedanken an die geplagten Rosse, welche die Lastfuhrwerke über diese Strecke zu befördern haben, und denkt der Zeit, in welcher diese und ähnliche Wege die großen Heerstraßen waren, auf denen der so bedeutende Binnenlandverkehr ſtattgefunden hat. Daß der Erbauer dieſer Straße von den entscheidenden Rücksichten, die auf die Straßenanlagen unſerer Zeit Einfluß haben – möglichste Vermeidung von Terrainschwierigkeiten – sehr wenig Notiz genommen hat, geht aus der Thatsache hervor, daß sich gerade so leicht ein Thalweg hätte finden lassen, allein der Baumeister scheint auf die ruhmvolle Ueberwindung der Schwierigkeiten besonderen Werth gelegt zu haben. Die Straße ward auf Befehl und eigene „Kostung“ des Herzogs Albrecht von Baiern Anno 1492 hergestellt, worüber eine steinerne Gedenktafel auf der Höhe des Berges Aufschluß giebt. „Heinrich Part von München (hat) erdacht den Sinn, wodurch er ward gemacht.“
Noch eine kleine Strecke aufwärts, dann ist die letzte Steigung überwunden, und vor den überraschten Blicken des Wanderers liegt ein neues prächtiges Panorama – der Walchensee, von Bergen und Wäldern umgeben. Dieser Anblick vertilgt jede Erinnerung an die überstandenen Mühseligkeiten, zudem dicht vor den Füßen des Touristen wieder eine Station gelegen ist, auf der man Erquickung findet. Es ist dies das Jägerhaus am See, das vor ein paar hundert Jahren von einem Abte des nahen Klosters Benedictbeuren gestiftet wurde, hauptsächlich zu Nutzen und Frommen der Wanderer, die im Winter über das Gebirge reisen, auf daß sie nicht etwa im Schnee oder vor Erschöpfung zu Grunde gingen. Der würdige Mann hat damals freilich nicht daran gedacht, daß noch eine Zeit kommen könnte, in der ein ketzerischer Lord mit seiner Lady vor dem jetzt stattlich hergerichteten Hause die Nachkommen jener delicaten Fische verzehren werde, welche die hochwürdigen Herren mit außerordentlicher Mühe bezogen und in den damals fischarmen Kochelsee eingesetzt hatten. Das Jägerhaus ist unbestreitbar der schönſte Aussichtspunkt am See, und unter den obwaltenden Verhältnissen wird der Wanderer gern ein Stündchen Rast halten, wenn er nicht vorzieht, seinem leiblichen Menschen in dem Orte Walchensee selbſt die begehrten Concessionen zu verwilligen. Der den Walchensee entlang führende Weg bildet eine Promenade, wie sie hübscher kaum in einer Parkanlage gedacht werden kann. Daß aber auch diese Promenade für den Luſtwandelnden verhängnißvoll werden kann, bezeugt ein gegen den Ausgang des Sees befindliches „Marterl“, welches dem theilnehmenden Wanderer erzählt, daß hier ein Bauer beim Nachhausegehen den Tod im See gefunden habe. Wie das möglich war, da ein Geländer die verhängnißvolle Stelle umgiebt, ist nicht leicht zu enträthseln; wahrscheinlich hat ein großer Nebel diesen Unglücksfall veranlaßt.
Das Dorf Walchensee besteht aus einer kleinen Zahl netter Häuschen, über welche das Gasthaus und eine Villa achtunggebietend hinausragen, während die sehr bescheidene Dorfkirche am Ende des Ortes ihren Platz gefunden hat. Die gläubigen Seelen haben jedoch Gelegenheit, ihren frommen Drang noch in einem zweiten Kirchlein, das nebst dem sogenannten Klöſterl auf der von hier vorspringenden Halbinsel gelegen ist und zu den wunderthätigen Gnadenorten zählt, zu befriedigen. Das Klösterl selbſt, ein altes Gebäude mit hohem Giebeldache, war ursprünglich nur eine Filiale von Benedictbeuren, in die sich besonders gelahrte Herren zurückzuziehen pflegten, wenn sie mit Abfassung irgend eines umfangreichen Werkes beschäftigt waren; ob dazu auch die lebens- und liebesfrohen Gesänge gehörten, welche das Zeitalter des blühenden Mönchthums auszeichneten, ist schwer zu errathen; die Einsamkeit des Platzes spricht jedoch gegen eine solche Annahme. Es scheint aber, daß auch die Herren Aebte hin und wieder einen kurzen Aufenthalt dort nahmen, um des edlen Waidwerks zu pflegen oder vielleicht, um sich von den Strapazen der Klosterregierung zu erholen.
In der Nähe des Klösterls existirt ein Echoplatz, der wenig bekannt ist, aber seines Gleichen sucht und hinter demjenigen des Königssees kaum zurückstehen dürfte. Der Wiederhall rollt von hier aus donnerähnlich durch alle Berge und kommt dann nach Verlauf von einigen Secunden wieder bis zum Ausgangspunkte zurück, was einen wirklich wunderbaren Effect ergiebt.
Eine kleine Wegstrecke von dieser Landzunge weg gelangt man an das Ende des Walchensees; hier befindet ſich ein großer Holzlagerplatz von solchen Stämmen, die über den See getriftet werden, um dann auf dem Rücken der Jachen oder Isar die Reise in die Residenzstadt zu machen.
Bei Wallgau, einem Dorfe, dem der Touristenverkehr noch gar nichts von seiner Originalität genommen hat, gelangt man in das Isarthal. Die Berge treten nun weiter auseinander und präsentiren ſich in gewaltigeren Formen; die Isar muß hier schon Frohndienste verrichten und große Flöße aufnehmen, zu denen das Material massenhaft von den umliegenden Bergen herabgebracht wird. Hier beginnt auch das Reich der eigentlichen Bergriesen, theils Ausläufer, theils Mitglieder der Karwendelgruppe, deren großartiger Aufbau sich dem Auge immer imposanter darstellt.
Links Duch's Laintal / Rechts Weg aif den "Verein"
Nach der Natur aufgenommen von Gustav Sunblad
Wer mit seinem Magen irgend welche Differenzen auszugleichen hat, mag in dem freundlichen Dorfe Krün Einkehr halten; das dortige Wirthshaus ist eines der Standguartiere der königlichen Dienerschaft und deshalb mit Vorräthen mehr versehen, als die sonstige Bedeutung des Ortes erheischen würde. Eine kurze Wegstrecke von diesem Dorfe entfernt, zweigt sich ein Pfad ab, der in die wildromantische Schlucht führt, welche den Namen Seinsklamm trägt. Diese Klamm wird in Bezug auf Großartigkeit der Verhältniſſe zwar von vielen übertroffen, bietet aber in ihrer Art alle jene Momente, die einen so mächtigen Eindruck auf den Beschauer üben. Der Waldbach stürzt über gewaltige Felsenabstufungen herab und schießt ungestüm durch die Steinwände dahin, die sich rechts und links senkrecht erheben und die unbändigen Wassermassen mit unbeugsamer Gewalt festhalten, ob sie nun tobend und brausend gegen diese Schranken anstürmen oder ruhig dahingleiten. Hoch oben scheint sich der dichte Wald zu schließen, und nur ein schmaler Streifen des lachenden Himmels ist von unten sichtbar; außer dem zornigen Ringen der Fluthen ist Alles todt, düster und unheimlich; kaum daß an einigen Felsvorsprüngen etliche Gräser ein einsames Dasein fristen; es ist eine Nacktheit, die unserem Auge nichts bietet, als ungeheure, rohe Massen ohne bestimmte Form, die nur durch ihr wildes Aussehen imponiren. Es ist gerade so, als ob ein mächtiger Riß durch die lebenswarme Erde ginge, der einen Einblick in ein anderes Reich gestattet. Trotz der Einförmigkeit des Ganzen fühlt man sich doch von dem unheimlichen Anblicke angezogen, und es gewährt einen hohen Genuß, den Schauer der Scene auf sich wirken zu laſſen.
Am Ausgange dieser Schlucht führt ein sehr primitiver Steg über den Seinsbach, von welchem aus sich die Klamm prächtig übersehen läßt. Diese „Hochgebirgsbrücke“ besteht aus einem großen Baumstamme, der erneuert wird, sobald der alte morsch geworden und in Trümmer gegangen ist; das daran haftende Geländer mag denselben Zweck haben, wie die Balancirstange der Seiltänzer – festhalten kann man sich daran nicht. Von hier aus führt der Weg nach dem sogenannten „Verein“, dem herzoglich nassauischen Jagdſchlosse, das noch im vorigen Jahre nett und zierlich auf dem Bergrücken stand, im heurigen Frühjahr jedoch von einer Lawine „fortgefegt“ worden ist.
Diese Bezeichnung ist nicht übertrieben, wenn man die schlichten Berichte der Jäger beherzigt, die zur kritischen Zeit am Platze waren. Schon einige Tage vor dem fraglichen Ereigniß hatte sich ein Jagdgehülfe auf den Verein begeben, um das Geschäft der Wildfütterung zu besorgen; da trat plötzlich ein ungeheurer Schneefall ein, der es ihm unmöglich machte, nach Hause zu kehren. Die Forstleute im Thale wußten sofort zu beurtheilen, daß sich ihr College in schwieriger Lage befinde, und machten sich in der Zahl von vier oder fünf Mann auf, um dem Abgesperrten entgegenzugehen und einigermaßen Bahn zu brechen. Sie waren kaum in der in der Nähe des Jagdschlosses befindlichen Jägerhütte angelangt – da wirbelte es von oben wie ein Sturmwind herab; ein gewaltiger Luftdruck erschütterte das Häuschen; vier Mann vermochten kaum die Thür zu schließen; der fünfte mußte sich an der Bank festhalten, um nicht auf den Boden geschleudert zu werden; es ward plötzlich ganz finster; die Leute dachten zunächst an den endlichen Zusammenbruch des vieltausendjährigen Sterns – da wurde es mit einem Male wieder Tag; sie wagten sich heraus, und siehe da! eine mächtige breite Furche zog sich von oben nach unten, als ob eine ungeheuere Schlange darüber geglitten wäre – das Jagdhaus war verschwunden. Der am oberen Futterplatze befindliche Jagdgehülfe war vom Luftdruck zu Boden geschleudert und büßte dabei einen Zahn ein, woran jedoch nicht die Lawine, sondern der leidige Pfeifenstummel die Schuld trug.
Merkwürdig bleibt die Thatsache, daß einzelne Einrichtungsgegenstände, mitunter sogar sehr zerbrechlicher Natur, fast unversehrt gefunden wurden, während das Balkenwerk wie Stroh geknickt und ein großes kupfernes Wasser-Reſervoir total zusammengequetscht vorgefunden wurde. Interessant ist ferner der Umstand, daß einzelne Stücke der Mobiliarschaft auf den Höhen in bedeutender Entfernung verstreut gefunden wurden; so entdeckte man weit vom Orte des Unglücks entfernt die total unversehrte Commode des Erbprinzen, an der sogar noch der Schlüssel steckte. Der Schaden beziffert sich natürlich sehr hoch und wird einen fetten Posten im Jagdconto des Herzogs bilden. Das Schlößchen soll jedoch in Bälde wieder aufgebaut werden, vermuthlich an einer besser geschützten Stelle. Bei dem Umfang des Jagdbezirkes, welcher dem herzoglichen Nimrod offen steht – circa vierzigtausend Tagwerk – stellen sich die Ausgaben übrigens ohnedies sehr hoch, während die Einnahmen kaum ein paar Procenttheile ausmachen. Das Perſonal besteht aus zwölf tüchtigen Jägern, die jahraus, jahrein einen angestrengten Dienſt versehen müssen, denn dieser Jagdbezirk gehört zu den wildreichsten des baierischen Hochlandes und wird natürlich von unberufenen Jagdliebhabern ebenso eifrig besucht, wie andere.
Von der Seinsklamm zurück hat man nur noch eine kleine Strecke Weges vor ſich, bis man in den Marktflecken Mittenwald gelangt, dessen eigenthümliche Bauart schon von weitem auffällt. Sämmtliche im alten Gebirgsstile errichteten Häuschen mit den flachen, steinbeschwerten Schindeldächern sind hart an einander gebaut und stehen mit der Giebelseite nach der Straßenfront, sodaß die Dächer jeder Häuserreihe eine regelmäßige Zickzacklinie bilden. Das Aeußere der Häuser deutet um ein paar Jahrhunderte zurück auf die Epoche des Aufblühens dieses Ortes, der durch Fertigung von Saiteninſtrumenten, an der sich fast die ganze Einwohnerschaft betheiligt, einen Weltruf erlangt hat. An den Frontseiten der stattlicheren Häuser sind häufig Malereien, ganze Geſellschaften von Heiligen und Allegorien, und zwar vom Dachraum bis zum Erdgeschoß reichend, angebracht, auch die Erkerfenster sind in einigen prächtigen Exemplaren vertreten. Der Fremde wendet sich meistens zum „Gasthauſe zur Post“, wo man sich getrost niederlassen kann, um einige Wochen mitten im Walde und in den Bergen hinzubringen. An Ausflugsorten fehlt es dort wahrlich nicht; in nächster Nähe befinden sich die interessantesten Punkte; so ist z. B. der Spaziergang in das Lainthal ein müheloses Unternehmen, das allein werth wäre, zu diesem Ziele Tagesreisen zu machen. In einer wildschönen Schlucht führt ein schmaler, besonders hergerichteter Weg im Zickzack hart an den Felswänden hinauf, während dicht neben demſelben ein majestätiſcher Wasserfall seine schäumenden Fluthen in die Tiefe schleudert. Blickt man gegen Mittenwald hinab, so fesselt den Blick vor Allem der riesige Karwendel mit seinen vielen kahlen Felsengipfeln, die sammt den übrigen sterilen Bergspitzen zum blauen Himmel aufragen, wie die von der Zeit gebleichten Gebeine Amirs, des vorweltlichen Riesen, aus dessen Körper
Odin die Welt gebildet hat; erst bei der unteren Hälfte beginnt ein dichter Waldwuchs; seine Füße umrauscht die junge Isar, und dicht an dem Ufer derselben bemerkt man die winzigen Häuser von Mittenwald, die von oben gesehen wie wirklicher Nürnberger Tand erscheinen; ringsherum liegen üppige Wiesen und Felder– ein Bild von so reicher Wechselwirkung, daß man nicht müde wird, alle Seiten desselben zu bewundern.
Das Leben in Mittenwald selbst hat nichts Cur-, Bade- oder Saisongemäßes. Es giebt dort keine künstlich hergestellten Promenaden, keine Curmuſik, Conversations- und Spielsäle, aber Alles trägt dort den Stempel der Natürlichkeit, sodaß man sich schon in den ersten Stunden heimisch fühlt. Die beigefügte Illustration– einen Sonntag-Vormittag auf der Kegelbahn des Postgartens darstellend – kennzeichnet das ungebundene Leben in Mittenwald in trefflicher Weise. Ohne sich um die im Garten weilenden Fremden zu kümmern, liegen die in dem Orte so zahlreich vertretenen Jagdgehülfen dem höchsten aller Sommervergnügungen, dem Kegelschieben, ob, und wie groß das Interesse an diesem harmlosen Spiele ist, zeigen die Mienen der Betheiligten, die mit Spannung den Resultaten jedes Wurfes entgegensehen. Der Spieler, welcher eben geschoben hat, war etwas unglücklich; die Kugel rollt vom Brette ab, und unwillkürlich sucht er mit einer gewaltigen Verrenkung seines Körpers nachzuhelfen, obschon es längst zu spät ist. Die Anderen sehen theils spöttisch, theils mit stoischer Ruhe auf die „g'feilte Kug'l“, während ein im Vordergrunde sitzender Gaſt aus der Stadt, der in dem fidelen Kreiſe günstige Aufnahme gefunden hat, beschäftigt ist, die Tiefen seines Maßkruges zu ergründen.
Diese Vormittagskneiperei belegt man mit dem Namen „Eilf-Uhrmesse“, einestheils weil sie nur am Sonntage, nach Schluß der kirchlichen Feierlichkeit, stattfinden kann, anderntheils aber, weil es für manchen leichtfertigen Hallodri die einzige Veranlassung iſs, ſich in den Sonntagsstaat zu werfen und unter der Maske der Andacht einen Ausgang von längerer Dauer zu rechtfertigen. Der Kegelbub ist zufälliger Weise auch Ministrant und hat daher am Sonntage gewiß alle Hände voll zu thun, um seine Pflichten zu erfüllen. Der Fremde aber fühlt sich durch das ungenirte Benehmen der fröhlichen Zecher nicht beengt, sondern eher angezogen, denn man hat es hier mit jener Natürlichkeit zu thun, die durch eine hervorragende Gutmüthigkeit zur wirklichen Gemüthlichkeit wird, wie man sie an dem Gebirgsvolke so sehr schätzt.
Benno Rauchenegger.
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