Die Schönheitspflege der Kaiserin Elisabeth
(KAISERIN ELISABETH — DIE MODERNE FRAU)
VON DR. MED. MARGUERITE A. KAVÄN
Kaiserin Elisabeth von Österreich war nicht nur die schönste Frau ihrer Zeit, sie war auch die modernste. Ihrer Erscheinung nach die geborene Königin, hat sie eines vergeblich gesucht, das nur in den Märchen und nicht im Leben vorkommt: königliche Freiheit. Carmen Sylva, die andere Königin, sagte: „Die Mode ist für Frauen, die keinen Geschmack haben, die Etikette für Menschen, denen es an Erziehung fehlt, die Tretmühle für diejenigen, die keine Phantasie oder Spannkraft haben.“ So hat sich Elisabeth ihre Mode selbst gemacht und auch ihre Etikette. Das Letzte hat man ihr häufig sehr übel genommen. Aber lassen wir Elisabeth, die große, die unglückliche Frau. Vielleicht scheint es nicht richtig von der Schönheit einer Frau zu sprechen, die so vieles, so furchtbares durchlitten hat. Aber auch aus der Schönheitspflege Elisabeths spricht ihr Geist, der ihrem Jahrhundert voraus war. Auch in diesen Dingen hatte sie bereits die Ansichten unseres Jahrhunderts. Elisabeth war die erste fanatische Anhängerin der schlanken Linie. Zu ihrer Zeit schien es noch fast selbstverständlich, daß jede Frau, wenn sie Kinder bekam, von ihrer Schönheit verlor. Frauen mußten stärker werden; das gehörte beinahe zu ihrer Würde. Noch im Anfang unseres Jahrhunderts, als im Burgtheater eine neue Künstlerin auftauchte, schrieb ein berühmter Rezensent von ihren „Klimtschen“ Linien, ihrer verruchten Schlankheit. Sofern man also Schlankheit überhaupt gelten ließ, so war sie „verrucht“. Und noch vor dieser Zeit lebt eine Frau, die erste Frau in Österreich, deren größter Schrecken es ist, dick zu werden. Beinahe krankhaft ist diese Angst. Sie übertreibt die Entfettungsmittel fast noch stärker als es heutzutage üblich ist. In Wien, der Stadt der Phäaken, gab es eine Frau, die hungerte: und das war Österreichs Kaiserin. Elisabeth wollte schön sein. Dieser Wille zur Schönheit macht viel aus. Er war ererbt in ihrer Familie. Berühmt war die Schönheitsgalerie, die sich ihr Oheim König Ludwig I. von Bayern anlegte. Neben den Bildern von Prinzessinnen, Hofdamen, Schauspielerinnen auch das Porträt einer Schusterstochter. In dieser Galerie wurde nur eine Schwester des Sammlers für würdig befunden, durch ihr Bild vertreten zu sein: Erzherzogin Sophie, die Mutter Franz Josefs, also Elisabeths Schwiegermutter und Tante. Auch sie war eine schöne Frau, aber obwohl sie ihre Anhänger heimlich die „Kaiserin“ nannten, selbst als Elisabeth die offizielle Herrscherin war, so wurde doch ihre Schönheit völlig von der der Schwiegertochter verdunkelt. Sophie behauptete sich neben der jungen Elisabeth als einflußreiche, Politik dirigierende, aber nicht mehr als schöne Frau. Elisabeth hat den Schönheitsfanatismus ihres Oheims geerbt. Schon als reifere Frau und Mutter einiger Kinder legte auch sie sich eine Schönheitsgalerie an, bestehend aus Photographien und Bildern der schönen Frauen aller Welt. Die österreichischen Botschafter wurden vom Ministerium aufgefordert, für Elisabeth solche Bilder zu sammeln und es kam beinahe zu politischen Verwicklungen, weil Elisabeth sich besonders für Bilder aus dem Harem, die nicht in die Öffentlichkeit kommen durften, interessierte und weil niemand glauben wollte, daß die Photographien für die Kaiserin gehörten.
Elisabeth liebte schöne Menschen. Sie berichtet ihrem Sohne von irgendeiner Reise, wo sie ein zwölfjähriges Mäderl mit wunderbarem Haar kennenlemte. „Ich habe sie sogar öfters geküßt. Du kannst dir denken, wie hübsch sie war!“ Ihr Schlankheitsideal teilt sich ihren Kindern mit. Sie ist entsetzt, als sie die dicke untersetzte Königin Viktoria von England sieht. Ihre Tochter Valerie wundert sich ebenfalls über dicke Menschen. Ihr unglücklicher Vetter Ludwig II. von Bayern, tut ihr leid, weil sie an seinem Verstand zweifelt, aber sie nimmt es ihm übel, daß er so stark wird. Als Kind war Elisabeth nicht hübsch, doch hatte sie schon damals unwiderstehlichen Charme. Als Franz Josef sich mit ihr und nicht mit der ihm zugedachten Schwester Helene verlobt, stößt sich die künftige Schwiegermutter Sophie daran, daß Sisi (Elisabeth) gelbe Zähne hat. Franz Josef berichtet ihr nach einiger Zeit: „Sie hat schon ganz weiße Zähne.“
Als größte Schönheit wurde der Kaiserin ihr wunderbares, meterlanges Haar nachgerühmt, das in ihrer Jugend goldfarben war und später einen kupfernen Schimmer bekam. Elisabeth pflegte dieses Haar aber auch mit einer Sorgfalt wie kaum eine andere Frau. Vielleicht hat diese Haarpflege ihr Leben sogar um einen Tag verlängert. Der Mörder Lucheni plante seine Tat ja schon länger. Nun ging Elisabeth aber einen Tag vor dem entsetzlichen Ereignis nicht aus, weil sie ihr Haar wusch, und diese Prozedur erforderte immer einen ganzen Tag. Ihre Friseurin Angerer war eine der wichtigsten Persönlichkeiten ihrer Umgebung. Als die Haarkünstlerin einen Handelsangestellten namens Feifalik heiratete, machte die Kaiserin den Mann zu ihrem Sekretär, nur um sich nicht von der Friseurin, die im Bewußtsein ihrer Wichtigkeit die ganze Umgebung tyrranisierte, trennen zu müssen. Die Feifalik verstand aber auch ihr Handwerk. Tochter einer Hebamme war sie Theaterfriseurin geworden und zu Ihrer Majestät gekommen. Elisabeth trauert bei jedem Haar, das ihr ausgeht. Sie kontrolliert den Kamm der Feifalik, ob nicht Haare daran hängen, aber die Friseurin ist schlau. Sie hat einen Klebestoff unter ihrer Schürze, fährt mit dem Kamm heimlich und rasch darüber, die Haare bleiben daran hängen und sie kann den Kamm ihrer Majestät rein und blank vorweisen. Elisabeth trägt die Haare auch bei offiziellen Anlässen gerne gelöst. Als sie sich einmal bei einem Reitunfall eine kleine Gehirnerschütterung zuzieht, droht der Arzt, daß die Haare abgeschnitten werden müssen. Das wirkt auf die ungeduldige Patientin als stärkste Drohung. Elisabeth hat ihre Haarwässer, aber sie sind nur auf natürlichen Heilmitteln aufgebaut. Mit ihrem Haar macht sie keine Experimente, mit ihrem Körper schon eher.
Elisabeth war 172 cm groß. Wenn ihr Körpergewicht aber um die 50 Kilogramm war, ergriff sie bereits Schrecken und Angst und sie versuchte Kuren, wie sie heute nicht einmal den aufopferndsten Damen gelingen. Es ist bekannt, daß die Kaiserin die beste Reiterin war, die tollkühnsten Kunststücke vollbrachte. An ihrem fünfundzwanzigsten Hochzeitstage sagten die spottlustigen Wiener, daß Franz Josef nicht 25 Jahre Menage, sondern 25 Jahre Manege hinter sich habe. Elisabeth ritt wie der Teufel. Und wenn sie nicht ritt, dann machte sie Gewaltmärsche von acht bis zehn Stunden, oft ohne Unterbrechung, ja nicht einmal mit einer Essenspause für ihre Begleitung. In späteren Jahren, als man ihr schon nachsagte, daß sie ihre Hofdamen und Ehrenkavaliere totgehe, ließ sie auf Gebirgspartien Tragsessel mitnehmen, nicht für sich, sondern für das Gefolge. Die Geheimpolizei folgte ihr zu Wagen, während sie im buchstäblichen Sinne läuft. Der Leibarzt Dr. Widerhofer begleitet einmal sie, die schon Urgroßmama ist, auf einen Ausflug in den Dolomiten, wobei sie nicht die Bahn benutzt, sondern nur reitet und geht. Elisabeth wehrt sich auch gegen die Kleidermode ihrer Zeit. Sie muß die Gebirgspartie in der „Sportausrüstung“ mitmachen, wie sie damals eben Sitte war, aber sie ist gewohnt, den Rock hochzuschürzen, wenn sie erst genügend hoch gestiegen sind. Sie tritt also hinter ein Gebüsch, um den Unterrock aus auszuziehen zuziehen auszuziehen und den Rock bis zum Knie aufzubinden. Sie merkt nicht, daß ihr der unglückliche Leibarzt auf seinem Maultier nachkommt. Der will der Etikette gemäß rasch verschwinden, gerät in Konflikt mit seinem Maultier, stürzt ab und bricht sich das Schlüsselbein. Die Kaiserin, damals schon sehr melancholisch, zieht wieder daraus die Folgerung, daß über ihrem Leben ein Unstern sei, unter dem alle leiden müssen, die um sie sind.
Ihr Tag beginnt und endet mit Gymnastik. Sie hat ihre eignen Turnmethoden, arbeitet mit Hanteln und macht Freiübungen. Sie reitet, läuft, ficht. Zum letzteren Sport schafft sie sich ein kurzes Röckchen, ähnlich wie es viel später für Fechterinnen modern wurde. Ihre ständige Begleiterin ist eine Waage. Noch als Frau hoch in den Fünfzig, wiegt sie sich täglich dreimal. Nach dem Resultat der Waage am Morgen wird die Diät für den Tag eingestellt. Sie schiebt völlige Milch- und Orangentage ein, wenn sie findet, daß sie zu zugenommen genommen zugenommen hat. Dr. Kerzl, der nicht ahnt, daß einige Jahrzehnte später dieses Wägen allgemein werden wird, wettert: „Der Teufel soll den holen, der Ihrer Majestät das ewige Wägen angeraten hat!“ Und der arme Kaiser Franz Josef leidet doppelt unter dem Schlankheitsfanatismus, denn nicht nur Elisabeth versucht jede neue Kur, sondern auch Frau Schratt wird von ihr angesteckt. Am 27. März 1896 schreibt er an Elisabeth: „Es ist merkwürdig, wie Ihr beide immer dieselben medizinischen Experimente unternehmt, gottlob ohne dabei besonderen Schaden genommen zu haben!" Es handelte sich damals um eine Sandkur, erfunden von einem Dr. Kühne, die gegen das Starkwerden gerichtet ist. Aber auch die gewaltigen Bergtouren und Märsche versucht Frau Schratt in Nachahmung der Kaiserin.
Elisabeth macht Traubenkuren. Der Leibarzt, der immer wieder ins Ausland berufen wird, wo sie auf ihren Reisen erkrankt, konstatiert, daß ihre unvernünftige Lebensweise, das ewige Hungern, der Grund ist. Er verbietet ihr das Karlsbader Wasser, das sie immer wieder gebraucht. Um sich etwas zu stärken, läßt sie höchstens blutiges Beefsteak zu einer Art Suppe ausdrücken, auch eine der ganz modernen Ernährungsmethoden, die Elisabeth bereits für sich benutzte. Aber das bedeutet für sie bereits ein gewaltiges Menü. Am Genfer See trifft sie 1897 Erzherzog Franz Ferdinand mit seinem Leibarzt Dr. Eisenmenger. Der Arzt untersucht die Kaiserin und findet starke Hautanschwellungen, besonders an den Knöcheln: die typischen Zeichen von Hungerödem. Er erkundigt sich nach ihrer Ernährung und erfährt, daß ihr ganzes Essen manchmal sechs Orangen im Tage sind. Und dabei nimmt sie zu ihrer Verzweiflung noch zu. Der Arzt erklärt: „In den Geweben sammelt sich infolge Unterernährung Wasser an!“ Durch seine Warnungen beeinflußt, wird das Menü erweitert: Elisabeth trinkt nun im Tage einige Gläser Schafmilch, die sie auch für ein die Schönheit konservierendes Mittel hält. Überhaupt ist Milch für sie ein Heilmittel. Da sie wochenlang nur von Milch lebt, eben der Kur gehorchend, die sie gerade befolgt, schafft sie auf ihren Reisen eigene Kühe an, die dann nach Österreich gesendet werden, wo mit ihnen eine eigene Meierei der Kaiserin begründet wird. In Zeiten, da sie nur 46 Kilo wiegt, aber hört, daß ihre Schwester, die Königin von Neapel, sehr stark geworden ist, nimmt sie Dampfbäder und darauf ein siebengradiges kaltes Vollbad. Sie wird blutarm und nervös. Die Gewaltmärsche haben ihr schon seit Jahren ein Ischiasleiden eingetragen. Wieder werden alle möglichen Kuren versucht. In Amsterdam gibt es einen Arzt, den die Kaiserin durch Jahre oft für Wochen aufsucht und der eine komplizierte Massagekur ausführt. Sie hält viel von ihm, denn er ist erstens ungewohnt grob zu ihr und gestattet ihr zweitens die Ausübung ihrer Lieblingssports. Natürlich hilft die Kur nichts, da die Kaiserin weiter ihre Gewaltmärsche in Wind und Regen beibehält.
Bei einer berühmten Ärztin in Paris genießt sie wochenlange Schönheitspackungen aus heilkräftigen Kräutern, die ihrem Teint aufhelfen. So ist sie, die Leidgeprüfte, die mater dolorosa, noch 1896 bei der Milleniumsfeier in Budapest eine wunderbare Frau, von der der Dichter Kalman Mikszäth berichtet: „Dort sitzt sie im Thronsaal der königlichen Burg in ihrem schwarzen, mit Spitzen durchwirkten ungarischen Gewand, alles, alles an ihr ist düster, von dem dunklen Haar wallt der schwarze Schleier herab, Haarnadeln schwarz, Perlen schwarz, nur das Antlitz marmorweiß und unsagbar traurig. Da nennt der Redner auch den Namen der Königin. Sie zuckt mit keiner Wimper, doch mit einemmal braust ein Eljen auf, wie es die Ofener Königsburg noch nie gehört. Als bräche ein Gefühlssturm aus allen Herzen empor. Die Königin beugt das Haupt. Das schneeweiße Antlitz beginnt sich zu färben. Leicht rosa wird das Weiß, von der Farbe der frischen Milch mit rosigem Schimmer darüber, dann wird es rot, über und über rot wie das Leben. Ihre Augen öffnen sich weit, der alte Glanz schimmert hervor..." Elisabeth hat sich nicht geschminkt wie ihre Kolleginnen auf Thronen, zum Beispiel die Kaiserin Friedrich. Auch Kaiserin Eugenie, die eigentlich mit ihr um den Titel der schönsten Herrscherin konkurrierte, konnte den Kampf nicht aufnehmen. Elisabeths Liebreiz war unbesiegbar. Sie hatte ein Schönheitsmittel, das schwer nachzuahmen ist: aus ihren edlen Zügen, ihrem unvergleichlichen, feenhaften Schritt, ihrer ganzen Haltung sprach das wunderbare Herz eines Menschen. Und das ist eine Schönheit, die weder Alter, noch der ärgste Schmerz zerstören können. Vielleicht ist das das größte Schönheitsrezept Elisabeths von Österreich gewesen.
Quelle : Modernewelt, 1935, Heft 12
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