Emil Mario Vacano, Günther von Freiberg, König Phantasus, Roman eines Unglücklichen, mit einem Texanhang und einem Nachwort von Wolfram Setz, Männerschwarm Verlag, Bibliothek rosa Winkel, Hamburg, 2014. (ISBN: 978-3-86300068-4).
Präsentation des Herausgebers
1886, noch im Todesjahr des Königs, erschien dieser Roman um Ludwig II. von Bayern, der hier zu Percival geworden ist. Episoden wie die um einen berühmten Komponisten oder einen damals nicht weniger berühmten Schauspieler sind leicht wiederzuerkennen, doch das ironisch verfremdende Spiel mit der Historie schafft auch neue Gestalten und Bezüge. So lässt der König den Soldaten Fridolin in Stein gehauen zu einem Antinous werden, und während er selbst den ‘feingesponnenen Roman’ Fridolins heimliche Ehe (BrW 52) liest, heiratet sein Fridolin – heimlich.
Präsentation des Herausgebers
1886, noch im Todesjahr des Königs, erschien dieser Roman um Ludwig II. von Bayern, der hier zu Percival geworden ist. Episoden wie die um einen berühmten Komponisten oder einen damals nicht weniger berühmten Schauspieler sind leicht wiederzuerkennen, doch das ironisch verfremdende Spiel mit der Historie schafft auch neue Gestalten und Bezüge. So lässt der König den Soldaten Fridolin in Stein gehauen zu einem Antinous werden, und während er selbst den ‘feingesponnenen Roman’ Fridolins heimliche Ehe (BrW 52) liest, heiratet sein Fridolin – heimlich.
Vacano schrieb diesen Roman nicht allein: Co-Autor(in) war Günther von Freiberg.
“So gut heute ein Dichter die Widersprüche dieser groß angelegten Natur enträtseln, begründen, rechtfertigen kann, so gut hat es Vacano getan. Die warmpulsierende Liebe zu seinem Helden verleiht seiner Schrift einen Schwung, eine leidenschaftliche Beredsamkeit, die jeden Leser mitreißen wird.” (Marius Stein, 1887)
[...] Endlich aber, eines Tages, wo's draußen regnete und wo's so still und behaglich war in dem Stübchen hinter dem Laden und Gastzimmer, und die Kuckucksuhr in der Ecke so angenehm tickte, als wolle sie sagen: "Kinder, versäumt die Zeit nicht gar so dumm! Ich werde gleich wieder zu schnarren anfangen und eine Stunde schlagen, die Ihr wieder mit dummem Seufzen verloren habt!" ... an einem solchen Tage nun trat die Natur in ihre Rechte, und der gute Fridolin wurde von der lieben Leni angezogen, wie das Eisen von einem Magnetberge, und nachdem der riesige Chevauxleger ein paar Seufzer im tiefsten Baß ausgestoßen hatte, welche von Leni durch ein paar helle, langgezogene Seufzerlein im Diskant beantwortet worden waren, glotzte er sie so liebesberückt an, daß sie die Äuglein erschreckt nieder- und dann wieder schmachtend aufschlug. Da konnte er sich nicht mehr halten. Er rückte ihr näher, ergriff ihren hübschen Kopf mit seinen zwei kräftigen Händen, zog denselben zu sich und gab ihr einen Kuß. -
Und dabei stöhnte er vor Liebe, Rausch, Verschmachten: - "Leni, ich - ich hab' Dich so gern!"
Sie zitterte wie Espenlaub vor Durst nach ihm, und flüsterte scheu, athemlos, leise: - "Aber ich Dich ja auch, Du mein Friedl!" -
- "Und das ist so schrecklich!" - jammerte er, indem er sie von sich drängte in heller Verzweiflung und sein hübsches Haupt in die Hände sinken ließ, und bitterlich zu weinen begann.
- "Schrecklich? Warum denn?" - fragte sie fast verletzt.
- "Aber weil ich Dich nie, nie, aber auch gar niemals nie, nie, nie, nie, nie heirathen kann!" - blökte er wie ein armes, junges, verzweifeltes Kalb in seine großen Hände hinein. "O du lieber, lieber Himmel!" -
- "Und warum denn nicht, Friedl?" - sagte sie, indem sie ebenfalls in lautes Weinen ausbrach.
- "Aber weil ich überhaupt niemals nicht heirathen darf!" - meinte er.
- "Das ist ja schrecklich!" - schluchzte sie. "Bist Du denn krank, Friedl?" -
- "Ach, warum nicht gar!" - stöhnte er, und seine Thränen perlten ihm zwischen den Fingern durch, als sei er eine zersprungene Wasserleitung. "Ich bin nur zu gesund!" ...
- "Das denk' ich mir auch!" - sagte sie jämmerlich. "Also, warum kannst Du denn niemals heirathen, Friedl? Bist Du etwa ein 'Deutscher Herr'? Ich weiß zwar nicht recht, was das ist, da ja alle anständigen Deutschen heirathen, aber ich habe einmal den Vater sagen hören, die ganze Welt kann heirathen, nur deutsche Herren und türkische Bediente nicht! Bist Du also so ein deutscher Herr?" -
- "Leni, Du bist eine Gans! Ich bin kein solcher deutscher Musje!" -
- "Also bist Du am End' gar ein katholischer heimlicher Pfarrer, Friedl?" -
- "Ach nein!" blökte der schöne Chevauxleger.
- "Oder ..." rief Leni zitternd, und starrte ihn groß an. - "Oder bist Du am End' schon ein verheiratheter Mensch?" -
- "Ach Leni, red' doch nicht gar so dämlich. Wie könnt' ich mich denn so in Dich verlieben, wenn ich schon verheirathet wär'?" - sagte er naiv.
- "Seine Majestät hat mir streng verboten, jemals zu heirathen ... Am wenigsten aber ein Frauenzimmer! ... Bei seinem Hasse ...! Ist das nicht, um sich auf den Kopf zu stellen?!" Und er fing an von neuem zu stöhnen wie ein Kälblein. Und so seufzten und klagten denn die beiden jungen Herzen Tag für Tag um die Wette, und wußten sich keinen Rath und verzehrten sich in Gram.
Da befand sich eines Tages der arme Fridolin in einem der Gemächer Percivals, angethan wie ein orientalischer Märchenprinz, glitzernd von Gold und Edelsteinen, die weißen, großen, aber wohlgeformten, fast klassisch schönen nackten Füße in steifen, mit schweren Goldarabesken gestickten Pantoffeln, ein leichtes, feines gelbgrünes Seidengewebe um den vollendet schönen Riesenkörper, in der Mitte von einem blumenbunten, spinnwebenfeinen Gürtel zusammengehalten, die weißen entblößten Arme, welche aus den weiten weichen gelbgrünen Seidenfalten herausglänzten, von reichen, schlangengrünen emaillierten Spangen umgeben. So wartete Fridolin auf den König, der noch ruhte. Auf einem kleinem Marmorsockel lagen einige Bücher. Aus Langeweile schlug Fridolin, der das Lesen sonst perhorreszierte, ein solches auf, und den Titel:
"Fridolins heimliche Ehe"
Roman von Adolf Wilbrandt
Wie ein Blitz traf dieser Titel den Chevauxleger.
"Ach, da legst Dich nieder!" - sagte er im gemüthlichen bairischen ]argon, und fing an, auf der Stelle in dem Buche zu lesen, zu blättern, zu lesen, als sei dasselbe ein kostbares Rezeptbuch und müsse ihm Aufschluß geben und ein Mittel gegen ein veraltetes Übel.
Um aufrichtig zu sein: je länger Fridolin darin las, desto weniger verstand er den feingesponnenen Roman, der gleich den Werken Platens als "Caviar" für’s Volk gemeint ist.
Da er das Buch so gar nicht verstand, tröstete er sich wie oft mit seinem Spruche: "Der Herr von Wilbrandt hat ’nen Raptus!" - Aber eine fulminante Idee, einen Ausweg aus seinem Mißgeschicke, hatte ihm der Titel doch gegeben:
"Fridolins heimliche Ehe!"
Und noch an demselben Abende schlich er zu Papa Blaumeier hinüber, schloß sich mit Leni im Hinterstübchen ein, und theilte ihr die Rettungsidee mit: "Fridolins heimliche Ehe!"
Und Beide waren so entzückt davon, und blieben so lange im Hinterstübchen [...]
Emil Mario Vacano
"Ein junger Mann, der als 'Kunstreiterin' aufgetreten ist und umsattelt auf den Pegasus; ein Verfasser pikanter Geschichten, der kirchenkritische Bücher vorlegt - unterschiedlichste Aspekte prägen Leben und Werk des zu seiner Zeit vielgelesenen, hochgelobten und vielgeschmähten Emil Mario Vacano (1840-1892)". (Wolfram Setz, Herausgeber)
'Ein Fabulierer, der seine Feder bald in Champagner, bald in Herzblut tauchte.' (Günther von Freiberg, 1892)
Wolfram Setz, Emil Mario Vacano, Eine biographische Skizze, Männerschwarm Verlag, Bibliothek rosa Winkel, Band 68.
(ISBN 978-3-86300-069-1)
(1) Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
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