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mercredi 2 mai 2018

Marie, Königin-Mutter von Baiern. Oktober 1866. Ihr Rundreise durch die Spitäler Bayern.

Maria, Königin-Mutter von Bayern,
 in Illustrirte  Zeitung, 27 Oktober 1866

Ein Artikel aus der Illustrierte Zeitung 27.10.1866

"Marie, Königin-Mutter von Baiern 

Am 11.  October 1842 herrschte in München auf allen Straßen ein fröhliches Leben; da flatterten im frischen Winde auf allen Fenstern Fahnen, da erhoben sich Ehrenpforten all-überall die breite Ludwigstraße entlang bis nach Schwabing hinaus, und das riesige Siegesthor verschwand fast unter den Guirlanden und Festons, die es bedeckten; an allen Straßen wandelten die Leute in feiertäglichen Anzügen, und wohin man blickte, sah man Truppen in ihren besten Uniformen mit flingendem Spiel ihre Stellungen einnehmen.

Um 11 Uhr Mittags begrüßten die Glocken und der Donner der Geschütze den Einzug den preußischen Prinzessin Maria, welche am 5. October zu Berlin mit Kronprinz Mariximilian von Baiern vermählt worden war. Wie jauchzten die Münchener ihrer Kronprinzessin zu, die, umstrahlt von allen Reizen der Jugend, sich freute über den herzlichen Empfang, den man ihr im neuen Vaterlande bereitete.

Vierundzwanzig Jahre sind seitdem rasch dahingeschwunden, es war am Abend des 24. September dieses Jahres, als abermals die Straßen Münchens sehr belebt waren von Menschenscharen, die hinaus zum Bahnhofe zogen, um die Königin Marie zu empfangen, die von ihrer Rundreise durch die Spitäler Baierns zurückerwartet wurde. Diesmals war es kein offiziele Empfang; es wehten keine Flaggen, es stellten sich keine Truppen auf, und Ehrenpforten waren nirgends gebaut. Wol aber glänzte ein riesiges Transparent unter den dunkeln Bogen der Bahnhofshalle; es waren die einfachen Worte: "Willkommen Maria", die hell durch die Nacht glänzten. Als der Zug in den Bahndof rollte, da wurdesie mit  tausendstimmigen Jubel empfangen. Und als die Königin ausgestiegen, der drängten
sich die Tausende herzu, jedermann wollte die hohe Frau sehen, jedermann die barmherzige Samariterin begrüßen. Sie stieg in die harrende Equipage, die nur im Schritt fahren konnte, so waren die Strassen, die weiten Plätze von dankbaren Menschen erfüllt, die alle den "guten Engel Baierns" begrüßen wollten. Wohin die Campagc fuhr, traf sie auf illuminirte Häuser, auf jubelnde Menschen, und das brennende Ourrah wälzte sich wie ein Donner über die schweigende Stadt. Lange noch, als die hohe Frau sich längst schon zur Ruhe begeben, wogten unter ihren Fenstern die Menschenmassen auf und nieder.

Vierundzwanzig Jahre liegen zwischen diesen beiden festlichen Tagen. Damals kam die frohe, jugendliche Braut mit Pracht und Glanz zu dem sehnsüchtig  ihrer harrenden königlichen Bräutigam; 
jetzt kehrte die einsame königliche Witwe zurück von den Sterbebetten, von den Stätten des Jammers und Elendes. Was bergen diese 24 Jahre alles in ihrem Schoß! Eine Fülle desGlücks und unsäglichen Jammer. Es ist auf den Königsthronen beides ebenso gut daheim wie im schlichten Bürgerhause.

Was für ein inniges Band knüpfte die Gatten aneinander! Wie waren die ersten Tage, die Tage von Hohenschwangau so still-selig, welch inniges Familienglück blühte dedem kronprinzlichen Ehepaare auf! Dann kamen die Tage der Bewegung,aus deren Scofe sich die neue Zeit gebären sollte, dieZeit, welche das in seiner Zurückgezogenheit so glückliche Ehepaar auf den Thron Baierns rief.

Was die hohe Frau in dieser Stellung Segengreiches gewirkt hat, wie sie immerdar die Wohltäterin der Armen, die Zuflucht der Bedrängten war, wie sie, die Protestantin, es war, deren gutem Einfluss wir die in Baiern herrschende Toleranz hauptsächlich zu verdanken haben - das alles sind Thathsachen die hier zu erötern nicht ver Platz ist, deren Tragweite aber, so hoch dieselbe auch von den Bewohnern Münchens geschätzt wird, doch noch nicht annähernd zu ermessen ist.

In Baiem herrschte das schönste Verhältniss zwischen Thron und Volk, und daß es so war, daran hat die Königin redlich mitgewirkt. Als nun der unerbittliche Tod zwischen den vortrefflichen Fürsten und sein Volk trat, als ein Mann in der Blüte seiner Jahre abgerufen wurde, dessen Wirken noch lange nicht erfüllt, ein Mann, der im schönsten und besten Sinne des Worts seinem Volk Vater und Freund gewesen, da theilte dieses Volt den Schmerz der Königin-Witwe.

Der Schlag traf die Königin um so härtet, je unerwarteter er kam. Heute noch in der Fülle der Gesundheit, lag der König kaum 24 Stunden später eine Leiche auf dem Sterbebett. Aber der Leidenkelch der hohen Frau war damit nicht geleert, und wenn auch die Trauer um den geliebten Gatten eine fortdauernd tiefe und schmerzliche war, sollten ihr noch andere Prüfungen nicht erspart bleiben. Die schwerer war wol der letzte Krieg.

Sie konnte ihn nicht verhindern! Sie, die preußische Prinzessin, mußte ihren eigenen Sohn, ihre Neffen nnd Schwäger eegen vie schwarz-weiße Fahne zu Felde ziehen schen. Sie begnügte sich aber nicht, den Ereignissem die sie nicht hindern konnte, und die sie am schmerzlichsten trafen, mit stiller Trauer zuzuschauen. Nein, sie ergriff freudig die schönere Aufgabe der Frauen: die Wunden zu heilen, die Männerkampf geschlagen. Unter ihrer Leitung organisierte sich schnell ein Frauenverein, der in kurzer Zeit eine ungeahnte Ausdehnung erlangte und eine reiche Thätigteit enthaltete. In der Residenz wurde dem Frauenverein ein Saal, in der Stadt ein grosser Laden eingeräumt, und unter den Frauen Münchens rnd her Nachbarstädte begann ein Wetteifer in Anfertigung von Binden und Bandagen, von Hemden und Socken, von Bett- und Kleidungstücken für die verwundeten Krieger. Alle diese stille, aber emsige Thätigkeit, dieses Schneidern, Nähen und Stricken in den Familien floß in den beiden Lokalen des Frauenvereins zusammen. Kisten mit Verbandzeug, mit Wäsche, mit Lebensmitteln und Erquickungen für die Verwundeten gingen fort und fort ab, folgten der Armee und wurden in den Spitälern mit Freude und Dankbarkleit aufgenommen. Und immer neue Kisten wurden verpackt und abgesandt, bis endlich in den letzten Tagen erst der Verein seine gedeihliche Thätigleit schloß. Aber die Königin begnügte sich nicht mit dieser segensreiche Thätigkeit, die doch fast ihren ganzen Tag Monate lang absorbirte; denn man sah sie beständig in den beiden Localen ordnend, rathend, befehlend und selbst mit Hand anlegend;  sie hatte auch noch die Nachtzeit zu dem Liebeswerk,, dem see sich mit unglaublicher Energie hingab, übrig. In der ersten Zeit kamen die Verwundeten meist immer in später Nacht, um 12 Uhr, ja sogar noch später an. Die Königin fehlte nie auf dem Bahnhofe.  und unter ihrer  speciellen Leitung wurden die armen Verwundeten aus den Eisenbahnwagons in die bereitstehenden Wagen gebracht, um von dort in die verschiedenen Spitäler transportirt zu werden.

Die Königin hatte deren mehre aus ihre Kosten eingerichtet, unb die schwersten Verwundeten kamen dorthin; sie waren bie Vervundeten der Königin, unb fast tagtäglich wandelte die hohe Frau durch bie Säle, wo ihre kranken lagen, überall Trost und Hilfe spendend. Aber auch die andern Verwundeten und kranken in ben übrigen Spitälern hatten sich nicht zu beklagen, denn auch ihnen kam bie Mildtätigkeit  und Barmherzigkeit der Königinim reichsten Maße zugute. Sie besuchte alle Spitäler der Reihe nach, unt die Leidenben zu erquicken und zu erfreuen. Ihr Leben war damals in Wahrheit ein einziges Wandeln durch die Stätten des Jammers und des Elends, ein einziges Werk der Barmherzigkeit.

Ihre große Rundreise durch alle Spitäler Baierns, auf der sie jedes Krankenhaus persönlich besuchte und durch alle so schwer vom Krieg heimgesuchten Gauen Baierns wie ein guter Engel hülse-und: und segenspendend wandelte, krönte das Wirken der Landesmutter, und wol selten war ein Empfanh herzlicher, ein Jubel aufrichtiger als am Abend des 24. September am Bahnhofe in München."

 in Illustrirte  Zeitung, Leipzig, 27 Oktober 1866



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